Nein!

Was bedeutet Projektmanagement? Die beste Definition, oder Aussage habe ich im Rahmen einer kleinen Auftragsarbeit vor etwa zehn Jahren kennengelernt. Der damals zuständige Projektmanager sagte zu mir, er sei für mich da, um mir als Entwickler den Rücken freizuhalten. Den Rücken frei halten! Das muss man sich einmal bildlich vor Augen führen! Den Rücken frei halten!

Was sehe und erlebe ich zu oft? Das Projektmanager einem genau dort stehen – im Rücken – und zwar, um einen über die Schultern zu sehen, wie weit die aktuelle Entwicklung gediehen ist. Wie weit, wie lange dauert es noch, wieviel Aufwand wird es sein… Die üblichen Fragen – und Phrasen. Dass das das genaue Gegenteil von dem ist, was Kern ihrer Aufgabe sein sollte – geschenkt… Wir haben uns ja bereits daran gewöhnt. Und da wird erneut nicht einfach mal “nein” gesagt, sondern mit denselben Weichei-Phrasen geantwortet. Sonst – siehe oben, die soziale Kompetenz der Entwickler sei gerüchteweise sowieso nicht vorhanden, also wird sich Mühe gegeben, dieser Auffassung entgegen zu wirken. Und der Teufelskreis aus Featuritis, Fehlplanung und Herumgestümper beginnt von vorne. Wenn Bauingenieure ihre Brücken so bauen würden, wie Software entwickelt wird, würde ich lieber durch den Rhein schwimmen, es wäre weniger gefährlich. Und was spricht dagegen, sich auf Kernfeatures zu konzentrieren, diese auszubauen, diese vor allem stabil zu implementieren, und danach neue Funktionen zu realisieren? Ach ja, der Kunde verlangt… Gestern… Dann wird es komplex, es entstehen Abhängigkeiten, der letztlich zu unwartbarem Code führt. Ein Reengineering wäre angebracht. Aber da steht ja der nächste Kunde. Und wieder kein “nein”, sondern ja, vielleicht, das geht, irgendwie, können wir noch, kann man mal eben, der Quickfix muss noch rein, und so weiter…

Von Henry Ford soll das Zitat stammen “Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt, schnellere Pferde”. Danke. Das Beispiel ist zwar mehr als hundert Jahre alt, aber was hat Steve Jobs getan? Die Gebrüder Albrecht? Ingvar Kamprad? Leider sind derartige Unternehmerpersönlichkeiten heute zu selten vorzufinden. Und – um es deutlich zu benennen – es sind die typischen Beispiele von Erfolgsgeschichten, die auf Einfachheit anstatt Komplexität basieren. Benutzerfreundlichkeit. Überschaubarkeit. Wenn ich in einen Aldi gehe, finde ich mich sofort zurecht. Das User-Interface ändert sich nicht permanent. Bei Ikea werde ich keinen Barcelona-Chair finden, und bei Apple – bis jetzt – keine Spielekonsole. Auch wenn sich auf iPads und dem Rest der Apple-Welt hervorragend spielen lässt. Dem gegenüber steht das Modell, auf jeder Ebene präsent zu sein, im Sinne von “Diversifikation”. Kann funktionieren, muss es aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn weder die Kompetenz, noch die Ressourcen vorhanden sind, um sich in jedem Markt mit jedem Sortiment zu tummeln. Das führt wiederum zu – siehe oben, dem bekannten Teufelskreis, alles irgendwie und noch ein wenig davon und noch ein wenig hiervon, fast wie in einem Kochrezept, nur führen die Zutaten hier nicht zu einem wunderbar genießbarem Mahl, sondern eher zu einem gruseligen Brei, der alles sein will, aber anstatt die einzelnen Positionen heraus zu schmecken, ist es nur eine gräuliche, klebrige Matsche. Zu lange gekocht. Zu viele Köche. Zu sehr darin herum gerührt. Das war es dann mit der Diversifkation. Dabei hätte ein “nein” am Anfang vielleicht geholfen. Vielleicht ist es gewöhnungsbedürftig, möglicherwiese schmerzhaft. Insbesondere für diejenigen, die nicht damit aufgewachsen sind, und denen in teuren Seminaren ans Herz gelegt wurde, Empathie zu zeigen, Verständnis, Ich-Botschaften zu senden, und so weiter. Nur sind Führungskompetenzen nicht nur in der Theorie zu erlernen, sondern es erfordert Übung. Viel Übung. Harte Übung. Und auch mal harte Worte. Und an der richtigen Stelle ein “nein”, während an anderer Stelle ein “ja” geschickter wäre. Und natürlich könnte ich diesen Text nun weiter aufblähen, mit vielen Beispielen füttern, die Kernthesen heraus arbeiten, ein Buch daraus entstehen lassen. Will ich das? Jetzt? Habe ich momentan die Zeit dazu? Nein. War das klar genug? Eigentlich ist es doch gar nicht so schwer.

 Und eigentlich wollte ich hier gar nichts über derartige Themen schreiben, sondern enger beim Titel des Blogs bleiben. Naja, Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Immerhin ist es keine Ausnahme der Ausnahme von der Ausnahme…