Einfach kompliziert?

In den letzten Tagen haben ich von zwei Personen, nennen wir sie Freunde, gehört, dass ich kompliziert sei. Das hat mich durchaus verwundert, denn bisher hatte ich mich für relativ normal gehalten. Aber was heißt schon kompliziert, was heißt normal, was wäre einfach? Und was wäre gut, sinnvoll oder wünschenswert?

Dank eines anderen – sagen wir Zufalls habe ich über einige Fragen, die mich betreffen, vor kurzem ebenfalls nachgedacht. Über die näheren Umstände kann ich mich hier nicht äußern, aber diese Fragen haben wiederum einige Fragen in mir aufgebracht, von denen ich dachte, längst eine Antwort darauf zu haben.

Wieso bin ich einfach? Wieso normal? Und wieso kompliziert? Und will ich überhaupt einfach sein? Also eigentlich halte ich mich tatsächlich für relativ normal. Zugegeben, mit einigen Ecken und Kanten. Doch ich denke, dass diese jeder hat. Ob nun mit Altlasten verbunden, Schatten der Vergangenheit, oder auch ob eine gewisse Vergangenheit und Erfahrung schlicht und einfach fehlt und daraus die Gegenwart wiederum komplizierter wird als gewünscht.

Wie ein weiterer Zufall es wollte, habe ich vor ca. zwei Monaten eine neue Stelle angenommen. Diese Stelle erlaubt es mir, endlich wieder wirksam zu sein. Im Gegensatz zum alten Job, der einfach nicht mehr tragbar für mich war. Vielleicht trage ich daran auch eine gewisse Mitschuld, ich hätte auch früher reagieren und kündigen sollen. Aber ich habe es lange Zeit versucht, ich habe es lange Zeit ausgehalten mit der Hoffnung, dass es besser würde. Ich war auch durchaus unbequem, habe Kritik geäußert, was, wie sich heraus stellen sollte, ebenfalls nicht erwünscht war. Über die Erfahrungen könnte ich vermutlich ein ganzes Buch schreiben, aber darum geht es hier weniger. Immerhin habe ich Erfahrungen auf diesem Gebiet, insofern kann ich mir darüber eine Meinung bilden und entsprechend reagieren – ob jetzt oder in Zukunft. Der neue Job hingegen ist eine Kehrtwende um 180°, ein kleines Team, ein wirksames Team, ein sehr angenehmes Betriebsklima, kein Hauen und Stechen, keine Positionskriege, sondern wahre Kooperation und Teamarbeit. Und noch dazu gute und sachliche Diskussionen, auf fachlicher Ebene geführt. Damit komme ich prima klar, finde sogar, dass es bereichernd ist und nicht nur das Team, sondern auch das Produkt und insgesamt das Unternehmen weiter bringt. Auch darüber könnte ich mich hier noch weiter gehend äußern, aber diese Situation stellt eigentlich nur die Basis dar.

Denn somit hat sich die Situation im Job gewaltig gebessert, was für mich wiederum bedeutete, dass ich wesentlich zufriedener geworden bin. Ich stehe nun gerne auf, freue mich auf den Tag und dessen Herausforderungen und weiß, dass es definitiv nicht langweilig wird. Noch dazu habe ich es selbst in der Hand, zumindest einen Teil der Arbeit zu gestalten und voran zu treiben. Den Wechsel habe ich somit bis dato zu keinem Zeitpunkt bereut, das Gegenteil ist der Fall. Und eigentlich war es sehr einfach, diesen Schritt zu wagen. Zumindest habe ich ein gewisses “Backup”, denn als Software-Entwickler ist es nach wie vor ein Leichtes, eine neue Stelle zu bekommen.

Das alles hat dazu geführt, dass ich mich in den letzten Wochen doch recht bis sehr gut gefühlt habe. Die Widrigkeiten des Alltags waren etwas leichter zu bewältigen. Vielleicht auch daher, weil ich mich weniger damit beschäftigt hatte. Nun stellt sich die Frage, ob ich glücklich gewesen bin. Doch was heißt schon “glücklich”? Was wäre “glücklich”? Zufrieden mit einigen Entscheidungen, ja. Zufrieden mit mir auf beruflicher Ebene – definitiv. Zufrieden mit einigen Tagen, ebenso. Doch nicht alles dreht sich um die Arbeit und deren Annehmlichkeiten. Eben.

Ebenfalls wurde mir die Vermutung entgegen gebracht, dass ich viel Zeit für  mich bräuchte. Ist das der Fall? Nun, einerseits ja, wenn ich an meine jetzige Situation denke. Ich bin durchaus nach innen gerichtet, reflektiere viel, denke auch über einiges nach. Ich wäre nicht ich, wenn ich dies nicht zugeben würde. Andererseits hängt dies wiederum mit genau der Situation zusammen, in der ich mich befinde. Und natürlich beschäftige ich mich mit interessanten Dingen, etwa neuen Technologien, auch privat. Damit vergeht durchaus die eine oder andere Minute. Doch auch dass ist der Situation geschuldet. Ich will mich hier gar nicht heraus reden, aber natürlich ergeht es mir so, dass ich mich – analog zu der Situation im vormals suboptimalen Job – in einer gewissen Nische bequem gemacht habe. Und somit entsteht ein Teufelskreis, der nur mit einigen Mühen zu durchbrechen ist. Oder durch Einfluss von außen. Wenn man merkt, dass es so einfach nicht mehr weiter geht.

Im Fall des Jobs habe ich gekündigt. Zunächst ohne Netz und doppelten Boden. Ich war bereits genervt von einigen Sachen, und als ich erfahren habe, dass die Team-Aufteilung noch sinnloser werden sollte als zuvor, und damit einher gehend die Aufgaben, war mein Geduldsfaden gerissen. Natürlich hatte ich mir auch zuvor bereits Gedanken bereitet, um nicht zu sagen lange mit dem Gedanken gespielt, endlich die Konsequenzen zu ziehen. Doch wie es war, ich hatte einige Freiheiten, konnte mehr oder minder jederzeit anecken, brauchte auch nicht zu fürchten, dass mir selbst gekündigt werden würde (denn das hätte ich mit Freude zur Kenntnis genommen), konnte Aufgaben aussuchen, und da null Kontrolle herrschte (damit jedoch auch null Feedback), habe ich mir teilweise tatsächlich das heraus gesucht, was mich gerade interessierte. Es wäre sogar für das Unternehmen sinnvoll gewesen – wenn dieses das Potenzial erkannt hätte. Es war insofern eine Nische, es war eine Komfortzone, in der ich mich befand. Dort hinaus zu brechen bedurfte eines gewissen Impulses.

Privat sieht es nicht viel anders aus. Ich bin mir bewusst, dass es momentan sehr suboptimal ist. An einigen Sachen kann ich nichts ändern, will es auch nicht. Bei anderen hingegen habe ich es in der Hand, könnte dies und jenes, wenn dies und jenes… Und so weiter. Ja, es wäre sicherlich noch viel mehr möglich. Doch man befindet sich in der Komfortzone. Irgendwie geht es ja weiter. Irgendwie werde ich auch das aktuelle Tief überstehen, zur Not flüchte ich mich in die Arbeit. Oder in das Schreiben mehr oder minder sinnloser Texte wie diesem hier. Mit einiger Musik sind die Tage auch besser zu ertragen. Ich müsste schließlich erst zwei, drei Sachen reparieren bzw. reparieren lassen, danach könnte ich dies und jenes… Und so weiter. Interessant wäre auch eine nähere Betrachtung des Johari-Fensters. Sicherlich sehe ich mich anders als andere, und noch dazu auf anderen Ebenen. Was mir wichtig ist, mag irrelevant für andere sein. Was mir eher irrelevant erscheint, mag für andere eine entscheidende Rolle spielen. Da ich aber nicht die ganze Zeit darüber nachdenken will, begebe ich mich wohl lieber auf sicheres Terrain – und programmiere irgendwas. Oder teste irgendwas. Und so weiter. Der Nachteil an diesem Verhalten liegt auf der Hand – dadurch ändert sich nichts. Es wird nur überlagert. Im konkreten Fall vielleicht eine gute Möglichkeit, die nächsten Tage zu überstehen, ohne verrückt zu werden, aber dauerhaft nicht wirklich gesund.

Nun bleibt nur die Frage, wann der nächste Geduldsfaden reißt, der nächste Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt und ich wie auch immer geartete Konsequenzen ziehe. Bin ich nun normal oder kompliziert? Eigentlich halte ich mich immer noch für recht normal…