Apolitisches Unternehmen Coinbase? Richtig so!

Ein Kommentar-Kommentar.

Eine “Farce” sei die Aussage des Coinbase-CEO Brian Armstrong, zumindest laut einem Kommentar im Magazin t3n laut Redakteurin Kathrin Stoll. Und wer etwas Anderes behauptet, der sei von gestern und so weiter, es fehlt nur noch die Behauptung, jenes Unternehmen würde sich auf der so genannten rechten Seite positionieren. Ja, wir haben 2020. Und genau daher frage ich mich, ob jegliches Unternehmen unbedingt politisch sein muss, anstatt sich auf seinen Kern, den Unternehmenszweck zu konzentrieren. Anstatt mich den Aussagen des Kommentars zu widmen, möchte ich drei Beispiele aufführen. 

Vor einigen Jahren, es herrschte die Zeit der Bahnhofs-Applaudierer, habe ich in einem kleinen Tech-Unternehmen gearbeitet. Eines Mittags saßen wir, d.h. die Kollegen und Chefs zusammen und anstatt sich mit den nächsten Projekten zu beschäftigen, kam das Thema Migration und Flüchtlinge auf. Der Großteil der Belegschaft hatte eine klare Meinung dazu, kurzum, sie gehörten ebenfalls zum Kreis derjenigen, die sich in der knapp bemessenen Freizeit am liebsten an Bahnhöfen und nicht mehr vorhandenen Grenzen positioniert und “Refugees Welcome!” gerufen hätten. Als es mir zu viel wurde angesichts der einhelligen Lobhudelei und ich sanft erwähnte, dass man sich vielleicht mal die Frage stellen könnte, ob die Entwicklung wirklich gut und richtig sei oder ob der berühmte “Wir schaffen das!”-Satz nicht ein wenig blauäugig gewesen sein könnte, wurde ich ebenso einstimmig überstimmt, um nicht zu sagen beinahe dem Erdboden gleich gemacht. Wie könnte ich es wagen, und das hätte man nicht von mir gedacht, die Kollegen empörten sich und noch mehr – fortan war die Stimmung zwischen den Kollegen und mir nicht mehr wie zuvor. Insbesondere betrachteten mich diejenigen nun offensichtlich anders, mit denen ich mich zuvor sehr gut verstanden hatte, als politische Statements noch keine Rolle gespielt hatten. Ein Kollege meinte beispielsweise, dass er mit Deutschland nichts anfangen könne und er sowieso mehr Freunde ausländischer Abstammung hätte als Deutsche. Das ist – mit Verlaub – seine Privatangelegenheit, oder sollte es zumindest sein. Für das Unternehmensziel ist diese Aussage jedenfalls nicht relevant. Insofern kann ich es auch absolut nachvollziehen, wenn sich ein CEO eines Unternehmens von vornherein gegen politische Diskussionen ausspricht, anstatt noch darin einzutreten. In meinem Fall war es anders, denn wie erwähnt, die Stimmung hatte sich verändert, die Kollegen betrachteten mich nun eher argwöhnisch, da ich es gewagt hatte, eine andere Meinung zu vertreten. Das wirkte sich natürlich auch auf die Motivation und Produktivität aus, denn es war genau das geschehen, was sinnvollerweise zu vermeiden wäre – es herrschte eine Spaltung in der Belegschaft vor. Denn leider scheint die politische Ausrichtung mehr mit Emotionen verbunden zu sein als ob jemand beispielsweise ein schwarzes oder beiges Auto fährt. Dass es mehr als unvernünftig, ja schlichtweg völlig idiotisch wäre, sich mit jemandem nicht zu verstehen, oder gar jemanden zu schikanieren, dessen Wagen eine andere Farbe hat als das eigene, leuchtet eigentlich ein. Darüber kann man zwar diskutieren, etwa über Vor- und Nachteile beim Waschen oder der Sichtbarkeit, aber sich deswegen streiten? Wohl kaum. Aber wehe, die politische Richtung stimmt nicht mit der eigenen überein! Das ist bedauerlich, denn so wird jeglicher Diskurs von vornherein verhindert. Natürlich hätte ich auch meine Klappe halten können. Ich hatte ja die Wahl, ich hätte nichts sagen müssen. Aber ist dies wirklich das Unternehmen oder die Gesellschaft, wie wir anstreben? Anstatt offen zu diskutieren, ohne direkt aufgrund seiner Meinung diskreditiert zu werden? Das darf sich nun jeder selbst beantworten. 

Ebenfalls vor einigen Jahren habe ich umfangreichere Arbeiten von Handwerkern ausführen lassen. Mit den Arbeiten war ich vollkommen zufrieden, das gleich zu Beginn. Per Zufall bin ich in jenen Tagen auf Facebook auf die politische Meinung von einem der ausführenden Handwerker gestoßen. Ohne die Richtung zu erwähnen, aber diese war schon sehr klar und eindeutig, ich stimmte nur in Teilen mit ihm überein, manches hingegen empfand ich als recht grenzwertig. Was hätte ich nun tun können, oder vielmehr sollen? Oder anders – welche Rolle spielte die politische Richtung des Handwerkers für seine Arbeiten bei mir? Ja, die Frage war rhetorisch, denn die Antwort ist eindeutig: Gar keine. Solange er aus seiner Arbeit keine Wahlveranstaltung machen würde und mir das Parteiprogramm von Partei XYZ in die Hand drückt, geht mich seine politische Position auch einfach nichts an. Oder umgekehrt: Wenn ich beispielsweise seinem Chef gesagt hätte, dass ich nicht möchte, dass jemand wie sein Mitarbeiter hier arbeitet, und wenn diesem Beispiel noch weitere Kunden gefolgt wären, was wäre die Folge gewesen? Auf Dauer wäre der Mitarbeiter nicht mehr tragbar geworden, ihm hätte in letzter Konsequenz vielleicht sogar die Kündigung gedroht. Und das, obwohl er seine Arbeit sehr gut erledigt hatte. Wem wäre damit geholfen? Und – in weiterer Konsequenz, was wäre der Unterschied zu einer Situation wie in den Jahren ab 1933, Stichwort “Kauft nicht bei Juden!“? 

 

Ein anderer Aspekt ist und bleibt das Marketing. Unternehmen stellen sich gerne als divers, weltoffen, ethisch, moralisch, nachhaltig, integrativ usw. dar, schließlich klingt es moderner als das simple Mantra, Geld verdienen zu wollen. Das wird dann auch gerne mit vielen Worten in einem Verhaltenskodex manifestiert, ganz abgesehen von unzähligen Beiträgen zu den aktuellen Hype-Themen. Nehmen wir zum Beispiel den Bertelsmann-Konzern. Es dürfte kaum eine Organisation geben, die mehr Einfluss ausübt auf das politische Geschehen in Deutschland als das vielfältig verschlungene Konglomerat aus Medienunternehmen, TV-Sendern, Druckereien, Bertelsmann-Stiftung etc.. Das passiert immerhin nicht kritiklos, so wird insbesondere der Bertelsmann-Stiftung angesichts der an zentral agierender Stelle Personen einiger Lobbyismus vorgeworfen. Zur Migration bezieht die Bertelsmann Stiftung immerhin eindeutig Stellung, wie ein Artikel eines Vorstandsmitglieds zeigt. Nun könnte sich aus diesem Aspekt eine Haltung ergeben, die sich aufgrund der “weltweit verbindlichen Leitlinie“, des Code of Conduct durch alle Unternehmensbereiche von Bertelsmann zieht. 

Herr Sarrazin ist eine durchaus schillernde Figur, der inzwischen sogar als Rassist bezeichnet wird. Bereits die Nähe zu ihm sei zu verurteilen. Seine bisherigen Verlage bzw. Verleger trennen sich aufgrund seiner Bücher auch schon mal ganz gerne von ihm, so etwa Random House. Random House ist – wer hätte es gedacht – ein Unternehmensbereich von Bertelsmann. Alles super, könnte man meinen, schließlich hat das Unternehmen eine klare Haltung (um deren Ausrichtung geht es an dieser Stelle nicht), und Herr Sarrazin hat letztlich immer wieder einen neuen Verlag gefunden. Die verbindlichen Leitlinien haben damit ihre Wirkung gezeigt. Doch schaut man etwa auf die erste Seite seines Werks “Feindliche Übernahme”, findet sich darin die Angabe des Druckdienstleisters “GGP Media GmbH, Pößneck”. Dasselbe bei “Der Staat an seinen Grenzen”. Oder bei “Future for Fridays?: Streitschrift eines jungen “Fridays for Future”-Kritikers” von Clemens Traub. Und unzähligen weiteren Büchern. Kein Wunder, die GGP Media GmbH in Pößneck ist mit ihrer Großdruckerei laut eigener Aussage sogar “Europas führender Druckdienstleister“. Interessanterweise gehört die GGP Media GmbH jedoch zur Bertelsmann Printing Group,  die – genau wie der Name es vermuten lässt – zur Bertelsmann SE & Co. KGaA gehört. 

Somit hat Bertelsmann offensichtlich kein Problem damit, umstrittene Bücher wie die des Herrn Sarrazin zu drucken, und letztlich damit Umsatz zu generieren. Während sich der im Vordergrund agierende Verlag Random House publikumsträchtig von weiteren Buchprojekten zurückzieht, freut sich im Hintergrund – und damit weit weniger öffentlich – GGP Media über jedes verkaufte Exemplar. Wie war das nochmal mit dem Verhaltenskodex..?